Musiktherapie | Arbeitsfelder
Musiktherapie findet in stationären und ambulanten Einrichtungen sowie in freier Praxis statt.
Die Behandlungskonzepte richten sich jeweils nach Diagnose und Alter der Patient:innen sowie nach dem Behandlungsauftrag oder der Behandlungsvereinbarung.
Musiktherapeutische Behandlungsangebote bestehen u.a. für
+ Patient:innen mit psychischen Erkrankungen
Institutionen: Psychiatrische Krankenhäuser, Stationen und Ambulanzen, sozialpsychiatrische Einrichtungen, (Übergangs-)Wohnheime für psychisch Kranke
Klientel: Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen (affektive Störungen, Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis, Angststörungen, Essstörungen, Suchterkrankungen, Demenzen etc.), Menschen mit Persönlichkeitsentwicklungsstörungen sowie Menschen in psychischen Krisen und Belastungssituationen
Aufgaben:
- Abbau von Angst
- Stärkung der Ich-Funktionen (z.B.Bewusstheit der eigenen Identität, Unterscheidung von Phantasie und Wirklichkeit, Abgrenzungsfähigkeit...)
- Hilfestellung zur Orientierung in der Realität
- Förderung von Selbst- und Fremdwahrnehmung
- Aktivierung in den Bereichen Vitalität, Affektivität und Emotionalität
- Unterstützung von Wahrnehmung und Ausdruck von Emotionen
- Aufbau und Differenzierung von Kontakt- und Beziehungsfähigkeit
- Förderung und Erhaltung gesunder Persönlichkeitsanteile
- Rehabilitation und Prophylaxe
Akute und chronische Krankheitsverläufe erfordern unterschiedliches Setting und adäquate Gestaltung der therapeutischen Beziehung. Während der akute Krankheitsverlauf vorwiegend strukturierendes, stützendes Vorgehen erfordert, liegt der Schwerpunkt beim chronischen Verlauf in der Förderung der Eigenverantwortung.
+ Patient:innen mit psychosomatischen Erkrankungen
Institutionen: psychosomatische Stationen und Ambulanzen, psychotherapeutisch orientierte allgemeinmedizinische Einrichtungen
Klientel: Menschen mit psychosomatischer Störung oder Erkrankung
relevante Problemstellungen:
- die eingeschränkten Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeiten
- die reduzierte Selbstwahrnehmung
- die verschüttete Kreativität der Patient:innen
Aufgaben:
- Entwickeln von neuen Ausdrucksmöglichkeiten für Gefühle, Bedürfnisse und psychische Konflikte als Alternative zu somatischen Reaktionsmustern
- Bewusstmachen und Bearbeiten von Konflikten
- Aktivierung der Erlebnisfähigkeit
- Bearbeiten von emotionalen Defiziten
- Erweiterung der Kompetenz im Bereich der Beziehungsgestaltung
+ Patient:innen in der Neurorehabilitation
Institutionen: Neurologische Krankenhäuser und Stationen, Rehabilitationszentren
Klientel: Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma und/oder neurologischen Hirnveränderungen
relevante Problemstellungen: Die durch die Hirnschädigung bedingten physiologischen, psychischen und sozialen Störungen. Ansatzpunkt ist hier das intakte Rezeptionsvermögen für Musik selbst bei weitestgehenden funktionellen Ausfällen des Gehirns.
Aufgaben:
- Aktivierung der Gehirntätigkeit
- Förderung von Gedächtnisleistungen, Erinnerungsvermögen, Konzentrationsfähigkeit und Orientierung
- Stärkung der vorhandenen geistigen und körperlichen Fähigkeiten zu Kompensation von Ausfällen
- Begleitung und Hilfestellung bei der emotionalen Bewältigung des Traumas/der veränderten Lebenssituation
- Anschließen an die Zeit vor dem Trauma/vor der Erkrankung
- Unterstützung bei der Entwicklung einer veränderten Identität
Das möglichst frühe Einsetzen der musiktherapeutischen Behandlung ist ein wichtiges Kriterium für den Behandlungserfolg.
+ Patient:innen in der Onkologie
Institutionen: Krankenhaus (onkologische Stationen/Ambulanzen), Nachsorge-, Reha-Einrichtungen
Klientel: Menschen mit onkologischen/immunologischen Erkrankungen (akut/Nachsorge)
relevante Problemstellungen:
- Lang andauernde/wiederkehrende Krankenhausaufenthalte
- Einschneidende Veränderungen im Körperbild (Haarausfall, Amputationen, Gewichtsschwankungen etc.)
- Kontroll-/ Autonomieverlust
- Soziale Isolation
- Krankheitsverarbeitung/subjektives Krankheitserleben
- Existenzielle Fragestellungen
- Schwankende körperliche Befindlichkeit (Schmerzen, Übelkeit, Fatigue,…)
Aufgaben und Ziele:
- Gesunde Anteile wahrnehmen, stärken und fördern
- Bewältigungsstrategien stärken bzw. entwickeln
- Ausdruck und Verarbeitung des inneren Gefühlserlebens (Aggressionen, Ängste, emotionale Bedürfnisse) u.a. auf nonverbaler, symbolischer Ebene
- Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung
- Autonomie-/Selbstwertstärkung, Identitätsarbeit
- Arbeit mit Angehörigen bzgl. familiärer Beziehungsdynamik
- Rezeptive Angebote zur Entspannungsförderung und Schmerzlinderung bzw. Erlebnisaktivierung und Regeneration
- Förderung der Lebensqualität
- Palliative Begleitung (z.B. Adäquate Formen des Abschiednehmens, Trauerarbeit)
+ Patient:innen mit Traumafolgestörungen und Gewalterfahrungen
Institutionen:
Psychiatrische und Psychosomatische stationäre, tagesklinische sowie ambulante Kliniken, allgemeine Krankenhäuser, psychosoziale Einrichtungen, Rehabzentren, Pflegeheime, freie Praxen
Klientel:
Patient:innen mit einfachen und komplexen Traumafolgestörungen
relevante Problemstellungen:
Traumatische Erfahrungen können schwere Folgestörungen hervorrufen wie Nachhallerinnerungen (Flashbacks und Alpträume), Angstzustände und Depressionen, welche in der Traumatherapie behandelt werden. Traumaorientierte Musiktherapie umfasst eine spezifische therapeutische Grundhaltung und Beziehung. Sie trägt insbesondere zur Stabilisierung und Ressourcenaktivierung bei. Durch den behutsamen und dosierten Einsatz musikalischer Mittel können Hochstresserfahrungen im Körper und im Gehirn gezielt reguliert werden.
Aufgaben und Ziele:
- Herstellung von innerer und äußerer Sicherheit (durch die Schaffung eines musikalisch sicheren Spielraumes)
- Körperliche Stabilisierung (durch Körper-, Atem- und Stimmarbeit)
- Psychische Stabilisierung (durch stärkende Klang- und Rhythmuserfahrungen)
- Ressourcenaktivierung (positive Spielerfahrungen durch das Wiederentdecken musikalischer Fertigkeiten)
- Psychoedukation (die eigenen Symptome verstehen lernen und wie man sich vor Überflutung schützen kann)
- Selbstberuhigungsfähigkeit
- Kontrollfähigkeit
- Fähigkeit, Gefühle zu regulieren
- Stärkung von Selbstwert und Selbstwirksamkeit
- Beziehungsfähigkeit
- Bearbeitung traumatischer Erinnerungen (durch spezielle musik-traumatherapeutische Methoden und Techniken, wobei hier eine traumaspezifische Zusatzqualifikation erforderlich ist)
+ Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen
Institutionen: Ambulatorien für Kinder und Jugendliche, Therapiezentren für Erwachsene, stationär und ambulant in Krankenhäusern (oft auf Grund von Komorbiditäten wie Depressionen oder Angststörungen), Privatpraxen, aufsuchend in Schulen, Wohngruppen und zu Hause
Klientel: Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) sowie bedarfsweise deren relevante Bezugssysteme wie beispielsweise Familie
Aufgaben und Ziele:
- Förderung der sozialen Interaktion und Kommunikation
- Reduktion von Isolation - über die Musik eine „gemeinsame Sprache“ finden
- Erleben eigener Stärken und Ressourcen
- Förderung der Selbstwirksamkeit
- Affektregulation
- Reduktion von Stressempfinden
- Erleben von Sicherheit und Struktur (durch musikalische Parameter wie Rhythmus und Melodie)
- Förderung von Flexibilität
- Verknüpfung und Integration verschiedener Sinneskanäle (z.B. akustisch und propriozeptiv)
Setting:
- Familiensetting, z.B. mit einer wichtigen Bezugsperson (dies ist vor allem bei jungen Kindern das bevorzugte Setting)
- Gruppensetting: soziale Kompetenzen, aber auch der Umgang mit der Diagnose ASS können hier zentrale Themen sein. Das Gruppensetting hat – ebenso wie das Familiensetting – oftmals eine besondere Bedeutung für den Transfer der eigenen Kompetenzen in den (Kindergarten-, Schul-, Arbeits-)Alltag
- Einzelsetting mit der Therapeutin/dem Therapeuten
+ Menschen in Palliativ- und Hospizeinrichtungen
Institutionen: Krankenhäuser: Auf Palliativstationen und im Rahmen der konsiliarischen Versorgung von Palliativpatient:innen anderer Abteilungen (z.B. an Abteilungen für Innere Medizin, Onkologie, Neurologie, Chirurgie, Gerontologie, Intensivmedizin, Kinder- und Jugendheilkunde), Hospize (für Kinder, Jugendliche und Erwachsene), Pflegeeinrichtungen, in der Zusammenarbeit mit mobilen Palliativteams
Klientel: Patient:innen, die aufgrund unheilbarer fortgeschrittener Erkrankungen eine begrenzte Lebenserwartung haben (und deren Angehörige)
relavante Problemstellungen:
- Körperliche, psychische, soziale und/oder spirituelle Probleme bzw. Bedürfnisse
- Qualitative und/oder quantitative Bewusstseinsstörungen
- Verlust von Körperwahrnehmung
- Reduzierte Ausdrucks-, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit
- Psychische Schocksituationen
- Überwältigende Trauer
- Zwischenmenschliche Konflikte und/oder Überlastungssituationen im Familiensystem
- Bedürfnisse nach Entfaltung verbleibender Ressourcen
Aufgaben und Ziele:
- Stärkung von Autonomie, Selbstbeziehung und Selbstwirksamkeit
- Linderung von körperlichen Beschwerden wie Atemnot, Übelkeit und Schmerzen (Nichtmedikamentöse Schmerztherapie)
- Linderung psychischer Probleme (z.B. Ängste, Unruhe und Schlaflosigkeit)
- Förderung von Selbst- und Körperwahrnehmung
- Unterstützung von Ausdrucksfähigkeit, Emotions- und Spannungsregulierung
- Hilfe bei der Verarbeitung biografischer Belastungen
- Nonverbale Kommunikation bei Sprach-, Sprech- oder Bewusstseinsstörungen
- Förderung von Orientierung und Tagesstruktur sowie Schutz vor Überreizung
- Hilfe bei der Entfaltung persönlicher Kraftquellen
- Klärung und Vertiefung persönlicher Beziehungen
- Förderung von Lebensqualität & Begleitung von Lebensaktivität
- Gestaltung von Atmosphären, Begleitung von Abschiedsprozessen und Abschiedsritualen
- Haltgeben in Krisensituationen
- Trauerbegleitung für Patient:innen und deren Angehörige
- Mitwirkung am ganzheitlichen Behandlungskonzept im multiprofessionellen Team
Neben der Behandlung krankheitswertiger Leidenszustände gibt es Musiktherapie
- zur Förderung sozialer Kompetenzen, insbesondere für Menschen mit geistigen, körperlichen und Mehrfachbehinderungen
- zur Prävention
- als Supervision
- zur Selbsterfahrung
- als Coaching
- zur Teamentwicklung
Darüber hinaus gibt es speziell altersorientierte Angebote für
+ Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsverzögerungen
Institutionen: Sozialpädiatrische Ambulatorien, Pädiatrische Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Rehabilitationszentren
Klientel: Kinder- und Jugendliche mit Entwicklungsverzögerungen/-störungen in den Bereichen Sprache, Motorik, schulische Fähigkeiten, Kognition, Wahrnehmung, Kontaktverhalten, sozio-emotionale Entwicklung
relevante Problemstellungen:
- Verminderter Selbstwert in Zusammenhang mit den eigenen erlebten Defiziten
- Fehlendes Gefühl von Selbstwirksamkeit
- Sozio-emotionale Auffälligkeiten, die mit den grundlegenden Störungen einhergehen bzw. daraus resultieren
- Verminderte Kontakt- und Beziehungsfähigkeit
- Auffälligkeiten in der Wahrnehmung
- Eingeschränkte Ausdrucksfähigkeit, wenn Sprache (noch) nicht ausreichend vorhanden ist
- Schwierigkeiten des sozialen Umfeldes/der Bezugspersonen im Umgang mit dem Krankheitsbild und Verarbeitung der gestellten Diagnose
- Auffälligkeiten im Bindungsverhalten als Ursache oder Folge der Entwicklungsverzögerung
Aufgaben und Ziele:
- Steigerung des Selbstwertgefühls und der Selbstwirksamkeit
- (Nonverbale) Ausdrucksmöglichkeiten für Gefühle und innere Zustände bieten und fördern
- Affektregulierung
- Unterstützung in der Sprachanbahnung und Kommunikation
- Unterstützung der Körperwahrnehmung
- Unterstützung der Wahrnehmungsverarbeitung
- Stärkung vorhandener Ressourcen und der Kreativität
- Positive Beziehungserfahrungen ermöglichen
- Begleitende Arbeit mit Eltern/Bezugspersonen, in manchen Fällen ist Eltern-Kind Therapie indiziert
+ Kinder und Jugendliche mit Störungen des Sozialverhaltens
+ Kinder und Jugendliche in Entwicklungskrisen
+ Patient:innen in der Neonatologie
Institutionen: Klinikum, neonatologische Intensiv- und Überwachungsstationen
Klientel: Frühgeborene, kranke Neugeborene (mit angeborenen Herzfehlern, genetischen Erkrankungen, angeborenen Fehlbildungen, Sauerstoffmangel bei der Geburt, Stoffwechselerkrankungen, Infektionen, Hyperbilirubinämie, Drogenentzug etc.) und deren Angehörige
Relevante Problemstellungen:
- Reizüberflutung
- Körperliche Probleme
- Instabilität der Vitalparameter (Atem- und Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung)
- Schmerzen
- Körperliche Unreife - Herausforderung für gesamtes Organsystem
- Unruhe/Stress/Angst (unnatürliche Umgebung/Geräuschkulisse etc.)
- Emotionale Unreife
- Entwicklungsstörungen/-verzögerungen
- evtl. räumliche Trennung von Eltern
- Herausforderung Bindungsaufbau
- Folgeerkrankungen
- Lang andauernde Krankenhausaufenthalte
- Psychische Belastung und Überforderung der Eltern
- schlagartige Lebensveränderung
- Gefühle des Versagens
- Schuldgefühle, Ängste
- Ungewissheit, Unsicherheit
- Verlustängste
- Angst vor Reaktionen des Umfeldes
- Herausforderung für gesamtes Familiensystem (Geschwisterkinder etc.)
Aufgaben und Ziele:
- Reduktion von Stressfaktoren
- Balance zwischen Reizarmut/Reizüberflutung
- Regulation/Stabilisation physiologischer Vitalparameter (HF, AF, SaO2)
- Adäquate auditive Stimulation durch positive Klänge
- Wahrnehmungsförderung
- Verbesserung der Schlafqualität/-quantität
- Verbesserung des Trinkverhaltens: Saug- und Schluckförderung
- Tiefenentspannung/Beruhigung/Entspannung
- Entwicklungsförderung/Gesundheitsförderung
- Steigerung der Lebensqualität
- Reduzierung der Sedierung und Analgosedierung
- Schmerzlinderung
- Verkürzung der Krankenhausverweildauer
- Entspannung der Angehörigen
- Reduktion des elterlichen Stresslevels und ihrer Ängste
- Begegnungen/Interaktionen zwischen Eltern und Kind fördern
- Fokusverschiebung - gemeinsames positives Erleben fördern
- Bestärkung der Eltern in ihrer Rolle - Einbezug in die Musiktherapie
- Stärkung/Aufbau der Eltern-Kind-Bindung
- Bondingprozess/Känguruhen unterstützen
- Abbau emotionaler Blockaden
- Familienzentrierte Musiktherapie
- Entspannung der Atmosphäre einer Intensivstation
- Palliativbegleitung
+ Patient:innen in der Geriatrie
Institutionen: Geriatrische und gerontopsychiatrische Stationen und Tageszentren
Klientel:
- alte Menschen mit neuropathologischen Hirnveränderungen
- akut und chronisch psychotische alte Menschen
relevante Problemstellungen:
- eingeschränkte Kontaktfähigkeit
- reduzierte Intensität der Wahrnehmung und der Äusserung von Emotionen
- Verlust von Selbständigkeit
- angenehme und belastende Erinnerungen, Biografiearbeit
- Depression
- Hospitalismus
Aufgaben:
- Hilfe zur Orientierung und Selbstbehauptung im Alltag
- Steigerung der geistigen und körperlichen Aktivität, Stimmungsaufhellung
- Stärkung der Kontaktfähigkeit
- Hilfestellung mit dem Gefühl, nicht gebraucht zu werden, zurechtzukommen
- Stärkung der vorhandenen Potentiale
- Trauerarbeit
- Sterbebegleitung
- Abschiednehmen
Weitere musiktherapeutische Arbeitsfelder sind
- Suchtbehandlung
- Forensik
- Strafvollzug